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„Über die Berge und über das Meer“ handelt von einer Flucht aus Afghanistan

Auf die Flucht von Soraya und Tarek aus Afghanistan nahm Dirk Reinhardt jetzt Schüler des Humboldt-Gymnasiums mit. Der Münsteraner Autor stellte den Gifhornern seinen im Februar 2019 erschienenen Roman „Über die Berge und über das Meer“ vor, beantwortete aber auch Fragen zu sich persönlich und zu seinem Schaffen allgemein.

„Wir freuen uns, dass es geklappt hat“, sagte Niels Fahrenkrug. Der Fachsprecher Deutsch des HG wusste, wie sehr in zwei Jahren Pandemie große gemeinsame Veranstaltungen zu kurz gekommen waren. Gerade Buchvorstellungen bekannter Autoren böten die Chance, mehr Kinder fürs Lesen zu begeistern.

 

 

„Zwei Jahre ging im Grunde gar nichts. Jetzt sind wir wieder da!“, rief Fahrenkrug den Schülern zu. Reinhardt sei ein Autor, der sich Themen widme, die „spannend und am Puls der Zeit sind“. sagte der Fachsprecher und versicherte eine kurzweilige Lesung.

Reinhardt war froh, am HG zu Gast zu sein. „Die vergangenen zwei Jahre waren für uns alle echt schwierig – aus den bekannten Gründen“, sagte er. Endlich wieder auf Lesetour gehen zu können, sei daher umso schöner. Er wolle den Schülern „nicht bloß aus meinem Roman vorlesen. Das wäre sicherlich zu langweilig“, erklärte er.

Sondern er wolle ihnen auch etwas zur Entstehung und den Hintergründen des Romans „Über die Berge und über das Meer“, der größtenteils in Afghanistan spielt, erzählen. Es handele sich dabei um seinen fünften Roman für Jugendliche. Entstanden sei dieser aus dem Vorgänger „Train Kids“. Darin begleitete Reinhardt Jugendliche aus Südamerika auf ihrer Flucht in die USA, bei der sie in weiten Teilen auf den Waggondächern durch Mittelamerika gen Norden fahrender Züge ausharren.

Recherchiert habe er für „Train Kids“, das inzwischen in vielen Schulen zur Standardlektüre zähle, vor Ort, nicht zuletzt auch weil er Spanisch spreche. Afghanisch allerdings beherrsche er nicht. Daher sei er für „Über die Berge und über das Meer“ nicht am Hindukusch gewesen. Er habe stattdessen mit vielen Geflüchteten in Deutschland gesprochen. „Vorteil dabei war, dass sie nicht nur über ihre Heimat, sondern auch über ihre Flucht berichten konnten“, sagte Reinhardt. Zudem sei er in Griechenland und in der Türkei gewesen, um Flüchtende zu interviewen. Aus deren Erfahrungen und Erlebnissen hat Reinhardt dann seinen 318-seitigen Roman entwickelt.

„In den vergangenen 40 Jahren herrschte in Afghanistan eigentlich fast pausenlos Krieg oder Bürgerkrieg“, sagte er. Zuletzt kämpften dort internationale Truppen, angeführt von den USA, 20 Jahre lang gegen die Taliban. „Zu dieser Zeit spielt mein Roman“, erläuterte Reinhardt. Er handelt von Soraya, der jüngsten von sieben Töchtern einer in einem abgelegenen, vom Krieg gezeichneten Bergdorf lebenden Familie. Sie wächst aber nicht als Mädchen auf, sondern als Junge. Denn nach alter Tradition können Familien, die keine männlichen Nachkommen haben, eines ihrer Mädchen zu einem Jungen erklären lassen. „Damit soll die Ehre der Familie wieder hergestellt werden. Denn Jungen gelten als Schatz“, sagte Reinhardt.

 

Als die Taliban erfahren, dass Soraya mit 14 Jahren immer noch alle Privilegien eines Jungen genießt, drohen sie mit ihrer Tötung. Der Vater beschließt, Soraya zu Freunden in die Türkei zu schicken. Unabhängig davon bricht auch Tarek gen Westen auf. Er will zu Verwandten nach Deutschland fliehen, um nicht von den Taliban als Spurenleser zwangsverpflichtet zu werden. Der Roman schildert die Flucht der beiden, bei der sie einander oft näher sind, als sie ahnen.

 

Spannende Lesung: Autor Dirk Reinhardt stellte im Humboldt-Gymnasium seinen Roman „Über die Berge und über das Meer" vor.

Foto: Ron Niebuhr

Aller-Zeitung / 18. Juni 2022