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Manche Töne im Humboldt-Gymnasium schmerzen in den Ohren – das sollen sie auch03 NDR

Gifhorner Schule gewinnt einen Auftritt eines Bläserquintetts der NDR-Radiophilharmonie mit Schauspielerin

Ungewöhnliche Töne in der Aula des Humboldt-Gymnasiums: Unter dem Titel „Ligentity“ machte am Montag ein Ensemble der NDR-Radiophilharmonie in Gifhorn Station. Das HG ist eine von zehn Schulen in ganz Niedersachsen, die einen solchen Besuch gewonnen haben – denn in diesem Jahr wäre der österreichisch-ungarische Komponist György Ligeti 100 Jahre alt geworden. Konzipiert hat das rund 40-minütige Stück Eva-Maria Kösters, die auch Regie führte.

Es war ein so ganz anderer Musikunterricht für die rund 150 Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgängen 9, 10 und 11, die teilnahmen. Ganz anders – und zuweilen bis fast schmerzhaft. Denn gerade die hohen Töne in György Ligetis Kompositionen stehen für schmerzhafte Stationen seines Lebensweges.

 

Leben eines Komponisten auf der Bühne nachgezeichnet

Der wurde von der Schauspielerin Sonja Beißwenger nachgezeichnet, natürlich musikalisch unterlegt von einem Bläserquintett mit Heike Malz (Flöte), Gonzalo Mejia (Oboe), Amely Preuten (Klarinette), Barbara Krimmel (Horn) und Anton Engelbach (Fagott). 1923 geboren, erlebte der jüdische Ungar mit österreichischer Staatsbürgerschaft eine zuerst behütete Kindheit und dann mit zehn Jahren die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland, die Einberufung in den Arbeitsdienst mit 20 Jahren 1944 sowie die anschließende Deportation. Die überlebte er nur knapp, bis auf seine Mutter verlor er seine ganze Familie. Der Volksaufstand 1956 in Ungarn, die Flucht in den Westen, nach Wien und Köln, wo er schließlich unterrichtete, waren weitere Lebensstationen. György Ligeti starb 2006.

In eingespielten Videos, in Spielszenen, mittels Texten begleitete Sonja Beißwenger. Stellte die Charaktereigenschaften des Komponisten vor und stellte den Schülern und Schülerinnen die Frage, was es denn bedeute, dass Ligeti „wandelbar sei wie viele kleine Glasstücke“. Der Schlüssel zur Antwort liege in seiner Musik, sagte sie, Ligeti sei wie Glasstücke, unterschiedlich Stück für Stück. Eine Musik, wegen der er bis heute als einer der bedeutenden Komponisten des 20. Jahrhunderts im Bereich der Neuen Musik gilt. Einer Musik, die der Regisseur Stanley Kubrick gleich in drei seiner Filme, „2001: Odyssee im Weltraum“, „Shining“ und „Eyes Wide Shut“, eingesetzt hat.

„Wir freuen uns riesig, das ist eine absolute Premiere. So etwas gab es noch nie in Gifhorn“, sagte Dr. Martin Peter vom Musikfachbereich am Humboldt-Gymnasium. Die Schule hatte sich an der Ausschreibung beteiligt, da laut Bettina Pohl, der zuständigen NDR-Redakteurin mehr Schulen teilgenommen hatten als es Auftritte geben sollte, habe das Los entschieden. Das HG war dabei. Morgens war das Ensemble bereits in Peine aufgetreten, im Laufe der Woche stehen beispielsweise noch Auftritte in Göttingen, im Harz und in Hannover auf dem Plan.

Das Quintett sei in dieser Besetzung ausgesucht worden, weil es die Originalbesetzung durch den Komponisten für die ausgesuchten Stücke sei. Das gesamte NDR-Sinfonieorchester bestehe aus 86 Musikern und Musikerinnen, sagte Redakteurin Bettina Pohl. Die Musiker und Musikerinnen, die mit nach Gifhorn gekommen waren, erläuterten die Aufgaben, die ihre jeweiligen Instrumente in den Stücken übernehmen und gaben so einen Einblick, wie ein klangliches Gesamtbild entsteht.

Allerdings: Nur konsumieren war nicht vorgesehen, die Schülerinnen und Schüler sollten sich auch beteiligen – in Form einer Fragestunde zum Ende der Aktion.

Gifhorn Schüler undSchülerinnen stellen Fragen

Das Angebot wurde von den Schülerinnen und Schülern gut genutzt. Natürlich gab es die Frage nach den persönlichen Lieblingsstücken der Musiker. „Ich finde die Stücke insgesamt spannend. Da passiert so viel, es gibt so viele Farben“, gestand Anton Engelbach, der Mann am Fagott. Wissen wollten die Jugendlichen aber auch, ob György Ligeti seine Stücke eher für ein Publikum oder doch mehr zur Bewältigung der eigenen Emotionen geschrieben habe. „Sicherlich beides“, sagte Bettina Pohl. „Denn er wollte etwas ausdrücken.“ Ein Fazit zog die NDR-Redakteurin dann, sowohl für die Musik des Komponisten als auch für die Besuche in den insgesamt zehn Schulen: „Es geht darum, wach zu bleiben, die Ohren offen zu halten, mutig zu bleiben.“

Foto: Musikunterricht einmal anders: Die NDR-Philharmonie besuchte das Humboldt-Gymnasium in Gifhorn mit einer Veranstaltung über den österreichisch-ungarischen Komponisten György Ligeti. Sebastian Preuß / Artikel: Thorsten Behrens

Aller Zeitung /  21. März 2023